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6000 kampfbereite Männer unter sich – oder etwa nicht?

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Das Legionslager Vindonissa in der Zeit des Kaisers Tiberius. An die 6000 Mann trainierten hier tagaus tagein mit gladius und pilum, Schwert und Speer, für den Ruhm und Glanz Roms. Die Kerle teilten sich zu acht die bescheidenen Unterkünfte, in denen sie selbst ihr karges Essen zubereiteten und an so manchen Abenden um ihren Sold beim Würfeln spielten. Nicht gerade ein Ort, bei dem man an Frauen denken würde.

 

Keine Frau für den miles gregarius

Und das sollte er auch nicht sein, denn dem gemeinen Legionär, dem miles gregarius, war es während seiner Dienstzeit verboten zu heiraten. Die Männer legten sich aber oft Familien in den umliegenden Dörfern zu, die nach dem Ende der Militärzeit von 25 Jahren als römische Bürger anerkannt wurden. Immerhin dürfen wir vermuten, dass ihre Beziehungen etwas romantischer waren, als das klassische Verhältnis römischer Ehepaare, die auf Geheiss ihrer Väter vermählt wurden und das nicht selten gleich nachdem die Braut das Mindestalter von zwölf Jahren erreicht hatte. Daher geben Archäologen gerne der Deutung nach, dass sich hinter dem Fund von zwei Schreibtäfelchen mit gegenseitiger Adressierung, ein süssholzraspelnder Briefverkehr zwischen dem Legionär Annius Lucianus und der Helvetierin Vindoinsa verbirgt.

 

Eröffnungsfest Legionärspfad 2012 mit römischer Hochzeit

 

Frauenschuhe im Legionslager

Bei Ausgrabungen im heutigen Windisch wurden aber trotzdem Frauenschuhe, Haarnadeln, und Spindeln gefunden. Wem gehörten diese Dinge?
Einerseits hatten die oberen Offiziere ihre Familie bei sich und deren Gattinnen auch ihre Sklavinnen. Aber eine wesentlich grössere Anzahl stellten sicherlich die Damen, die sich vor allem um die einsamen Legionäre kümmerten, die bei den keltischen Barbarinnen des Umlands kein Glück hatten: Die Prostituierten der Tavernen, der Kneipen und Gaststätten. Dass dieses Gewerbe im Lager betrieben wurde, können wir aus Berichten über die Eroberung Hispaniens erschliessen: Scipio Aemilianus brachte seinen seit Monaten erfolglosen Soldaten unter anderem dadurch wieder Kampfmoral bei, indem er die 2000 Prostituierten aus deren Lager wegschaffen liess.

 

Make-Up aus Schafsfett

Sie sassen in hochgeschlitzten, grellen Kleidern in den Tavernen, waren geschminkt mit Lippenstift, Lidschatten, Rouge und einem Make-Up, das aus dem Fett von Schafswolle gewonnen wurde -dessen intensiver Geruch sich bis dahin hoffentlich schon verflüchtigt hatte! Dabei konnten es die Damen zu einem stattlichen Einkommen bringen. Der Einstiegspreis für den Liebesdienst lag bei 2 Assen, dafür bekam man gerade mal eine gute Hauptmahlzeit, und etwa die gleiche Summe hatten sie täglich als Gewerbesteuer abzuführen. Aber es wurden auch 23 Asse für eine “gute Versorgung” hingelegt, was immerhin über dem doppelten Tageslohn eines miles gregarius lag.

 

Kellnerinnen und Wirtsfrauen

Es gab aber auch Frauen im Lager von Vindonissa, die nicht nur als Begleitern oder zum blossen Vergnügen der Männer anwesend waren. Diese gingen ihren eigenen Geschäften nach und verdingten sich zum Beispiel als ancillae, Kellnerinnen, oder gleich als selbstständige Wirtsfrau. Eine von ihnen, Belica, wird an dieser Stelle an der Ladies First-Veranstaltung vom 31. August selbst zu Wort kommen.

 

Belica - Frauen vor 2012 - Legionärspfad

 

Carsten Stark, Geschichtsvermittler Legionärspfad


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